Bürgerdialoge zum Ehrenmal Werries
Im März 2023 entflammte in der Bezirksvertretung Uentrop die Diskussion um das Ehrenmal Werries an der Ecke Klenzestraße/Schäferstraße. Ausgelöst wurde die Diskussion durch einen kritischen Hinweis aus der Bevölkerung zur Inschrift des Gedenksteins:
„Den Helden die Heimat
1914–1918
1939–1945“.
Im Mai 2023 hatten sich bereits Vereinsvertreter:innen und Mitglieder der Bezirksvertretung in den Räumlichkeiten der Evangelischen Kirchengemeinde Werries darüber ausgetauscht, wie zukünftig mit dem Ehrenmal in Werries umgegangen werden soll. Das Treffen offenbarte ein breites Spektrum an Standpunkten und Meinungen.
Ende November 2023 hat sich die Bezirksvertretung Uentrop dazu entschlossen, die Diskussion für die gesamte Bürgerschaft im Sinne der Prinzipien der Bürgerkommune Hamm zu öffnen. Das Stadtarchiv wurde von der Bezirksvertretung Uentrop gebeten, den Bürgerdialog fachlich zu begleiten und die Moderation zu übernehmen.
Das Stadtarchiv hat der angetragenen Bitte zugestimmt und einen mehrteiligen Gesamtprozess entwickelt:
- Erster Bürgerdialog (7. Mai 2024) – Die erste Gesprächsrunde hat das Ziel, sich einen Überblick über den aktuellen Informationsstand zu verschaffen sowie Meinungen und Perspektiven zum zukünftigen Umgang mit dem Ehrenmal Werries zu diskutieren.
- Zweiter Bürgerdialog (2. Juli 2024) – In der zweiten Gesprächsrunde haben alle Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, ihre Lösungsvorschläge und -ideen zu präsentieren.
- Dritter Bürgerdialog (26. September 2024) – Die dritte Gesprächsrunde zielt darauf ab, gemeinsam im Plenum eine Empfehlung für die Bezirksvertretung zu erarbeiten.
- Öffentliche Auslegung der Empfehlung im Bürgeramt Uentrop
- Entscheidung der Bezirksvertretung Uentrop
Erster Bürgerdialog zum Ehrenmal Werries
Das Ehrenmal in Werries regt zu Diskussionen an – das zeigte auch die große Resonanz des ersten öffentlichen Bürgerdialogs im Foyer des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums: Rund 60 Teilnehmende waren gekommen, um den Bürgerdialog aktiv mitzugestalten und selbst kräftig mitzudiskutieren.
Um einen gemeinsamen Informationsstand zu schaffen, legte Moderatorin Franziska Rohloff zu Beginn den geschichtlichen Hintergrund des Ehrenmals dar.
Die Leiterin des Stadtarchivs benannte anschließend als Ziel des Bürgerdialogs, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern Lösungsvorschläge zu finden und eine Empfehlung für die Bezirksvertretung Uentrop zu formulieren. Sie erläuterte, dass die Erhebung eines Meinungsbildes im Fokus der Veranstaltungsreihe stehe, um dadurch die Entscheidungsgrundlagen der Bezirksvertretung um eine bürgerschaftliche Perspektive zu erweitern.
Rohloff legte weiter die fünf Regeln für den Bürgerdialog dar und betonte, dass der Bürgerdialog ergebnisoffen ist. Sie wies darauf hin, dass vermutlich keine Lösung gefunden werden kann, mit der alle Anwesenden zu hundert Prozent zufrieden sind. Sie äußerte die Hoffnung, dass am Ende vielleicht ein Kompromiss gefunden werde.
Zum Schluss ihrer Einführung kam Franziska Rohloff auf die unterschiedlichen Handlungsoptionen zum Umgang mit dem Ehrenmal Werries zu sprechen.
Inputvorträge
Wie soll zukünftig mit dem Ehrenmal in Werries umgegangen werden? Dazu hielten auf Einladung des Stadtarchivs der Hammer Bürger Uwe Börner und der Dortmunder Stadtarchivar Dr. Stefan Mühlhofer zwei unterschiedlich gelagerte Inputvorträge.
Uwe Börner plädierte für eine Beibehaltung des gegenwärtigen Status Quo. Er begründete seine Position damit, dass ohne vorgegebene Kontextualisierung oder Ergänzung der Inschrift jeder Person eine individuelle Interpretation der Inschrift bzw. des Ehrenmals offen stünde, und verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Schlichtheit des Ehrenmals.
Börner warnte zudem vor der Gefahr einer grenzlosen Zerstörung oder Umgestaltung von historischen Ehrenmälern und Soldatenfriedhöfen.
Dr. Stefan Mühlhofer machte sich für eine Kontextualisierung des Ehrenmals stark und begründete seine Position damit, dass 1948, als die Inschrift um die strittigen Jahreszahlen „1939 – 1945“ ergänzt wurde, eine andere Situation sowie ein anderer Wissens- und Kenntnisstand vorlag als heute. Durch Kontextualisierung könne man laut dem Dortmunder Stadtarchivar beispielsweise klarmachen, dass das Denkmal schon während der NS-Zeit erstmals aufgerichtet und rasch von der NSDAP und ihren Massenorganisationen als Versammlungsort genutzt worden sei. Zudem sei die Inschrift laut Mühlhofer erklärungsbedürftig.
Der Dortmunder Stadtarchivar betonte, dass es ihm nicht darum gehe, Menschen den Ort für ihre Trauer wegzunehmen oder Orte zu entfernen, an denen man gedenken kann. Denn wenn man Orte wie das Ehrenmal Werries aus dem Stadtraum entferne, könne man laut Mühlhofer auch nicht mehr über diese diskutieren.
Dr. Stefan Mühlhofer forderte das Plenum dazu auf, über das Denkmal nachzudenken und unterschiedliche Handlungsoptionen zu erwägen. Er appellierte weiter, keine großen Gräben aufzureißen, sondern Brücken über die Gräben zu bauen und aufeinander zuzugehen.
Verlauf der Diskussion
In der anschließenden Diskussion erhielten alle Teilnehmenden die Gelegenheit, ihre Meinungen zum zukünftigen Umgang mit dem Ehrenmal Werries ausführlich darzulegen. Knapp 20 Teilnehmende machten von dieser Möglichkeit Gebrauch. Die Diskussion kam rasch in Gang und wurde sehr emotional geführt. Die Diskussionsbeiträge wurden vom Stadtarchivteam in einem ausführlichen Protokoll dokumentiert.
Neun Lösungsvorschläge wurden im Vorfeld des zweiten Bürgerdialogs eingereicht
Am Ende des ersten Bürgerdialogs hatte das Stadtarchivteam dazu aufgefordert, aufbauend auf der Diskussion Lösungsvorschläge und -ideen zu entwickeln und diese vorab an das Stadtarchiv zu senden.
Neun solcher Lösungsvorschläge und -ideen haben das Stadtarchivteam im Vorfeld des zweiten Bürgerdialogs erreicht (siehe auch Datei „Synopse_der_im_Vorfeld_der_zweiten_Sitzung_eingereichten_Vorschläge“).
Das Stadtarchivteam hat die eingereichten Vorschläge anhand ihrer Stoßrichtung in drei Kategorien eingeordnet: „Erhalt Status Quo“, „Kontextualisierung“ und „Umgestaltung“.
Zweiter Bürgerdialog zum Ehrenmal Werries
Beim zweiten Bürgerdialog im Foyer des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums wurden die neun eingereichten Vorschläge von den Personen, welche die Vorschläge eingereicht hatten, vorgestellt. In drei Fällen übernahm das Stadtarchivteam als neutrale Instanz diese Aufgabe.
Rund 40 Teilnehmende lauschten gebannt den Ausführungen.
Nach der Präsentation diskutierten die Teilnehmenden des Bürgerdialogs eifrig über die Vorschläge. Auf Wunsch des Plenums erfolgte die Diskussion kategorienübergreifend, nachdem alle Vorschläge gehört worden waren.
Während der engagiert geführten Diskussion zeichneten sich mehrere Kompromisslinien ab, zum Beispiel zur Schaffung eines Gedenk- und Lernortes (siehe auch Datei „Meinungen_zu_Vorschlägen_Sitzung_2“).
Ausblick
Das Stadtarchivteam plant, im Verlauf der dritten Sitzung über die eingereichten Vorschläge und einen auf Basis der Diskussion erarbeiteten Kompromissvorschlag abstimmen zu lassen: Jede Person darf für einen Vorschlag abstimmen – hat also nur eine Stimme. Die Stimmen werden „live“ vor Ort gezählt. Anschließend werden diese auf zweifache Art und Weise ausgewertet: Einmal nach dem einzelnen Vorschlag und einmal nach der oben aufgeführten Kategorie, welcher der Vorschlag angehört.
Erhält ein einzelner Vorschlag die absolute Mehrheit der Stimmen (mehr als 50 Prozent), dann wird auf Basis dieses Vorschlags eine Empfehlung an die Bezirksvertretung ausgearbeitet.
Erhält kein einzelner Vorschlag eine absolute Mehrheit, dann schauen wir auf die Kategorien. Hier gilt das gleiche Prinzip: Erhält eine Kategorie die absolute Mehrheit der Stimmen (mehr als 50 Prozent), dann wird auf Basis dieser Kategorie eine Empfehlung ausgearbeitet.
Sollte weder ein Einzelvorschlag noch eine Kategorie eine absolute Mehrheit erreichen, dann wird statt einer Empfehlung eine neutrale Darstellung des Stimmungsbildes für die Bezirksvertretung gefertigt.
Mithilfe des Plenums werden nach dem Wahlergebnis die Grundzüge der Empfehlung an die Bezirksvertretung erarbeitet und im Nachgang der Sitzung vom Stadtarchivteam in eine schriftlich ausformulierte Form überführt.