Am Dienstag, 31. Mai, wurden 19 neue Stolpersteine in Hamm verlegt, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern sollen. Die Biografien der Menschen und Familien hatte die "AG Stolpersteine" der Friedensschule Hamm gemeinsam mit dem Stadtarchiv Hamm im Vorfeld über Monate recherchiert. Im Anschluss an die Verlegung fand eine gemeinsame Gedenkfeier in der Aula der Friedensschule statt. Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig. Sie werden europaweit an dem letzen freiwillig gewählten Wohnort der Menschen und Familien gesetzt, die während der NS-Gewaltherrschaft vertrieben und ermordet wurden. An diesen Standorten wurden die Stolpersteine im Tagesverlauf gesetzt:
Werler Straße (Familie Herzberg)
Die Verlegung begann um 10.30 Uhr an der Werler Straße auf der Rückseite des Rathauses mit vier Stolpersteinen für Dr. Paul Herzberg, seine Frau Thea und ihre Kinder Ruth und Rolf. Dr. Paul Herzberg führte als Rechtsanwalt zahlreiche Zivilprozesse vor dem Oberlandesgericht Hamm. Nachdem er als jüdischer Jurist von den Nationalsozialisten 1933 mit Berufsverbot belegt wurde, emigrierte er mit seiner Familie in die USA.
Bismarckstraße 14 (Familie Rollmann)
Gegen 10.45 Uhr wurden vor dem Haus Bismarckstraße 14 drei Stolpersteine für Paula Rollmann und ihre Kinder Arthur und Marianne gesetzt. Hugo Rollmann hatte die Firma "Rollmann & Tovar Stanz- und Emaillier-Werke" im Jahre 1897 in Ahlen mitgegründet, der Wohnort der Familie war in Hamm. Hugo Rollmann verstarb 1933 in Düsseldorf. Seine Frau Paula, geb. Auerbach, lebte in der Bismarckstraße 14. Am 27. Juli 1942 wurde sie über Dortmund in das Ghetto Theresienstadt deportiert und dort am 31. Januar 1943 ermordet. Ihr Sohn Arthur Rollmann, geboren 1901 in Dortmund, war von Beruf Ingenieur und wohnte bei seiner Mutter. Zusätzlich besaß er einen kleinen Betrieb für Silberbestecke. Am 27. Juni 1937 verstarb er plötzlich. Die Umstände seines Todes, amtlich durch die Polizei-Direktion in Hamm mitgeteilt, sind unklar. Marianne Rollmann wurde 1915 in Hamm geboren. Sie konnte ihre Ausbildung nicht abschließen und emigrierte schließlich nach Palästina. 2011 starb sie in Israel.
Feidikstraße 40a (Familie Günther)
Danach wurden gegen 11 Uhr vor dem Haus Feidikstraße 40a vier Stolpersteine für das Ehepaar Julius und Lina Günther, geb. Löwendorf, und ihre Kinder Else und Heinz Wilhelm gesetzt. Julius Günther betrieb hier einen Papier- und Schreibwarenladen. Er musste diesen allerdings aufgeben und betätigte sich als Handelsvertreter. Im Juni 1937 wurde er in Herford verhaftet. Vier Tage nach seiner Inhaftierung nahm er sich am 6. Juni 1937 in seiner Zelle das Leben. Seine Frau Lina zog mit den Kindern zu ihrer Schwester Jenny Rosenthal in die (Große) Weststraße 44. Von dort emigrierten sie und ihre Kinder im Dezember des gleichen Jahres in die USA.
Weststraße 44 (Familie Rosenthal)
Gegen 11.30 Uhr folgte die Verlegung von zwei Stolpersteinen für Jenny Rosenthal, geb. Löwendorf, und ihre Tochter Edith vor dem Haus Weststraße 44. Jenny Rosenthal war die Ehefrau des Kaufmanns Joseph Rosenthal, der 1935 in Hamm verstarb. Die Tochter Edith wurde 1906 in Hamm geboren, der Sohn Leo 1908. Seit 1911 wohnte die Familie an der (Großen) Weststraße 44, wo sie auch eine Firma, vermutlich eine kleine Agentur, betrieben haben. Leo Rosenthal wurde Mitglied der KPD und durch das Zentralkomitee nach Moskau berufen. Er wurde im Jahre 1938 wegen Spionage verhaftet und anschließend erschossen. Seine Frau Margarithe kehrte nach Deutschland zurück, trat in die SED ein und war im Ministerium des Inneren in der DDR tätig. Edith Rosenthal emigrierte 1939 in die USA. Ihre Mutter wurde am 27. Juli 1942 über Dortmund in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort starb sie am 20. Januar 1943.
Caldenhofer Weg 155 (Wilhelm Hokamp)
Gegen 12 Uhr wurde vor dem Haus Caldenhofer Weg 155 ein Stolperstein für Wilhelm Hokamp gesetzt. Wilhelm Hokamp wurde 1885 in Hamm geboren. Zum Zeitpunkt der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten war er hauptamtlicher Beigeordneter im Amt Pelkum. Hokamp war auch SPD-Mitglied. Mit dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" wurde Hokamp 1934 vom Dienst suspendiert und schließlich zwangspensioniert. Nach Kriegsbeginn zunächst beim Kreis Unna dienstverpflichtet, wurde Wilhelm Hokamp 1944 im Zug der Aktion Gitter verhaftet. Er wurde in das KZ Sachsenhausen gebracht. Hier kam er ums Leben. Die genauen Umstände seines Todes sind ungeklärt.
Fritz-Reuter-Straße 13 (Leo Radtke)
Danach wurde gegen 12.25 Uhr vor dem Haus Fritz-Reuter-Straße 13 ein Stolperstein für Leo Radtke verlegt. Leo Radtke, geboren 1897 in Rutzing (Westpreußen), kam 1916 nach Hamm. Ab 1920 arbeitete er bei der Deutschen Reichsbahn und engagierte sich schon früh in der dortigen Gewerkschaft. Er trat der SPD bei und war ab 1927 Betriebsratsvorsitzender der Bahnmeisterei und ab 1930 Gewerkschaftssekretär des Einheitsverbandes der Eisenbahner Deutschlands (EdED). Im Zuge der Zerschlagung der Gewerkschaften wurde er 1933 drei Mal verhaftet. Nach seiner Freilassung engagierte er sich aktiv im Untergrund für den Widerstand gegen das NS-Regime. Als Mitglied der ITF, der Internationalen Transport-Föderation, einer Untergrundorganisation, die mithilfe der Bahn Flugblätter nach Deutschland transportierte und Menschen bei der Flucht unterstützte, riskierte er sein Leben und musste immer wieder untertauchen. 1937 kam es dann zu einer Verhaftung von zehn Mitgliedern der Gruppe. Leo Radtke wurde wegen Hochverrat verurteilt und verbüßte eine Haftstrafe von vier Jahren Zuchthaus unter schwersten Bedingungen. Nach seiner Freilassung 1941 lebte er wieder mit seiner Familie in Hamm und arbeitete als Lagerverwalter. Im Zusammenhang mit der Aktion Gitter nach dem Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 wurde auch Leo Radtke verhaftet und im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Nach seiner Befreiung arbeitete er im Sonderdezernat bei der Bezirksregierung Arnsberg für die Betreuung von NS-Verfolgten. Zudem wirkte er wieder in der SPD mit und setzte sich auch für den Wiederaufbau der Gewerkschaften ein. Er verstarb 1969 in Dortmund.
Ostenallee 137 (Familie Rollmann)
Gegen 12.55 Uhr folgte die Verlegung von drei Stolpersteinen für die Familie Heinrich und Hildegard Rollmann und ihren Sohn Peter-Ulrich vor dem Haus Ostenallee 137. Heinrich Rollmann wurde 1900 in Ahlen geboren. Nach dem Tod seines Vaters Hugo Rollmann sollte er seinen Teil der Firma "Rollmann & Tovar Stanz- und Emaillier-Werke" übernehmen. 1933 floh er mit seiner Familie vor der nationalsozialistischen Verfolgung in die Niederlande. Nach der deutschen Besetzung der Niederlande musste Heinrich Rollmann untertauchen, er fand bei verschiedenen Familien ein Versteck. Nach Kriegsende reiste er zurück nach Hamm und wollte seinen Anspruch auf Entschädigung einfordern. Danach reiste er 1954 nach Berlin, um seine Angaben protokollieren zu lassen. Am 26. Mai 1954 verstarb er jedoch auf seinem Rückweg, aufgrund der schweren Jahre der Verfolgung, die schließlich zu einem Herzleiden führten. Seine Frau Hildegard geb. Spohr, wurde 1900 in Hamm geboren. Sie ging mit ihrem Mann und ihrem Sohn Peter-Ulrich in die Niederlande. Sie sah sich hier nach 1942 täglich den Bedrohungen durch die Nazis ausgesetzt.
Ostenallee 31 (Anna Silberstein)
Abschließend wurde vor dem Haus Ostenallee 31 gegen 13.20 Uhr ein Stolperstein für Anna Silberstein gesetzt. Anna Silberstein, geboren 1868 in Friedland, kam 1927 von Cottbus nach Hamm und wurde Hausdame im Haushalt des Kaffeeröstereibesitzers Josef Falk. Von Anna Silberstein sind nicht viele Informationen überliefert. Fest steht aber, dass sie nach 1936 Josef Falk sowohl nach Köln als auch 1939 nach Berlin-Wilmersdorf begleitet hat. Ab Berlin wurde sie -ebenso wie Josef Falk- am 17. August 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und am 19. September 1942 ins Vernichtungslager Treblinka.