''London - Paris - Pelkum'' - Der Bahnhof Pelkum und die Hamm-Osterfelder Bahn
Am 1. Mai 1905 wurde die Bahnstrecke von Hamm nach Osterfeld in Betrieb genommen. Sie führte von Hamm westlich abzweigend nach Pelkum, von dort über Bergkamen, Oberaden, Lünen-Süd, Waltrop, Datteln, Recklinghausen-Ost, Buer-Nord, Gladbeck-West und Bottrop nach Oberhausen-Osterfeld.
Die Planung und der Bau der Bahnstrecke Hamm-Osterfeld fielen zeitlich in einen neuen Abschnitt der preußischen Eisenbahnpolitik. Die Zeit, in der sowohl private Gesellschaften als auch die staatliche Eisenbahnverwaltung nebeneinander ihre Bahnstrecken betrieben, war nach 1883 beendet. Der Staat beherrschte nun alle wichtigen Einrichtungen im Eisenbahnbereich.
Die ersten Planungen für eine Bahnstrecke ausgehend von Osterfeld nach Osten gehen auf die 1880er–Jahre zurück. Es dauerte allerdings bis in das Jahr 1900, ehe mit dem Bau der Bahn durch Preußische Staatseisenbahnverwaltung begonnen wurde. Zahlreiche Grunderwerbsprozesse verzögerten allerdings die Fertigstellung der Bahn noch bis 1905. Die Verkehrssituation im Ruhrgebiet hatte sich in dieser Zeit so schnell verändert, daß fast parallel zum Bau der Bahn auch der Bau des Lippe-Seiten-Kanals von Hamm nach Datteln genehmigt wurde. Er wurde 1914 eingeweiht.
Gut zu wissen
Der Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Hammer-Osterfelder Bahn zum Schauplatz politischer Ereignisse. Im Rahmen der Auseinandersetzungen zwischen streikenden Arbeitern und den Freikorps sprengten am 1. April 1920 Arbeiter die Eisenbahnbrücke in Pelkum, die „Pelkumer Alpen“, um das Vorrücken eines Panzerzuges der Reichswehr zu verhindern. Die Militärs nahmen das zum Anlass, um auf Pelkum vorzurücken. Dabei wurden 150 bis 300 Arbeiter und Arbeitersamariterinnen getötet, auf Seiten der Reichswehr gab es einen Toten.
Der „Ruhrkampf“ war der größte bewaffnete Arbeiteraufstand der deutschen Geschichte und wurde blutig niedergeschlagen.
Foto: In der Nacht zum 1. April 1920 sprengten streikende Arbeiter die Brücke über die Hamm-Osterfelder Bahn bei Pelkum. Quelle: Stadtarchiv Hamm
Schwerpunkt Güterverkehr
Die Bedeutung, die die Zeitgenossen der Hamm-Osterfelder Bahn beimaßen, zeigt ein Brief des Geschäftsmannes Friedrich Lahr aus Rotterdam vom 20. Juni 1905 an seinen Bruder: „Es ist eine bekannte Tatsache, daß große Ereignisse ihre Schatten vorauswerfen, die aber von kurzsichtigen Zeitgenossen nicht immer erkannt werden. So ist es auch mit der neuen Hamm-Osterfeld-Bahn, die jetzt nahe an Deinem Industrieunternehmen vorbeifährt und auf welcher Du bequem Deine Ziegelsteine nach Holland verfrachten kannst, falls Du in Deutschland mal nicht genügend Absatz für Deine Produkte hast.“
Der Schwerpunkt des Verkehrs lag von Anfang an beim Güterverkehr. Die Eisenbahndirektion Essen zeigt andererseits auch keinerlei Interesse an der Einrichtung und Ausbau des Personenverkehrs auf der Strecke. Eine Anfrage der Gemeinde Pelkum vom 21. April 1905 hinsichtlich eines Personenzugpaares zwischen Pelkum und Hamm wurde von der Direktion ebenso abgelehnt wie die Bitte um Fahrplanänderung hinsichtlich der Abfahrzeiten beim morgendlich ersten Zug von Hamm nach Oberhausen. Der Hammer Landrat und Abgeordnete Schulze-Pelkum wies 1906 auf die zu geringe Zahl der Personenzüge und deren schlechte Verbindungen hin. Eine Verbindung Pelkum-Hamm schien für den Arbeiterverkehr besonders wichtig. Obendrein waren die Fahrpreise der Bahn günstiger als die Tarife der Hammer Straßenbahn! Aber noch zum Fahrplanwechsel 1927/28 lehnte die Reichsbahndirektion Essen wiederum die Einrichtung zusätzlicher Personenzugverbindungen mit dem Hinweis auf mangelnde Auslastung ab.
Aufschwung vor dem Ersten Weltkrieg
Der Güterverkehr auf dieser Strecke entwickelte sich hingegen kontinuierlich aufwärts, allein von 1907 bis 1911 nahm er um 136 Prozent zu. Tag und Nacht rollten zahlreiche Güterzüge zwischen Hamm und Osterfeld. Nicht unwesentlich beteiligt am Aufschwung der Bahn waren die zahlreichen Zechen, die entlang der Strecke nach und nach die Förderung aufnahmen und selbstverständlich über eigene Gleisanschlüsse verfügten. Diese Verkehrssteigerung belastete vor allen Dingen die Verschiebebahnhof Hamm. Im Rahmen der dortigen Um- und Ausbauarbeiten ab 1911 wurde eine rangiertechnisch moderne Einfahrgruppe zwischen der Osterfelder Einfahrt und der Ziegelstraße errichtet. 1912 erhielt die Hamm-Osterfelder Bahn schließlich ein zweites Gleis.
Neben den zahlreichen Güterzügen verkehrten täglich zwischen Hamm und Oberhausen 15 Personenzugpaare. Im eben genannten Zeitraum von 1907 bis 1911 stieg der Personenverkehr um 127 Prozent an.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Hammer-Osterfelder Bahn zum Schauplatz politischer Ereignisse. Im Rahmen der Auseinandersetzungen zwischen streikenden Arbeitern und den Freikorps nach Kapp-Putsch und Generalstreik im Jahre 1920 wurde die Eisenbahnüberführung bei Pelkum von streikenden Arbeitern gesprengt.
Bedeutung bis zum Zweiten Weltkrieg
Nach den Wirren der politischen Ereignisse und dem Ende der französischen Besetzung des Ruhrgebiets 1923 normalisierte sich der Bahnbetrieb wieder. Das galt auch für die Strecke Hamm-Osterfeld. Vorrangig blieb der Güterverkehr. Die hier eingesetzten Personenzüge bestanden zumeist fünf Wagen, wobei fast ausschließlich 3. Klasse-Waggons zum Einsatz kamen, mitunter auch ein 2./3. Klasse-Waggon. Zum Vergleich: Auf der Köln-Mindener Stammstrecke bestanden Personenzüge aus mindestens zehn Wagen.
Die Ost-West-Strecke war für den militärischen Nachschub und den Transport kriegswichtiger Güter von größter Bedeutung. Dementsprechend häuften sich die alliierten Bombenangriffe auf Strecke, Zechen und die Bahnhöfe. Ein typischer Auszug aus den Meldungen des Bahnhofs Hamm: „31.5.1944, 11.15 Uhr: Angriff auf Personen- und Verschiebebahnhof. 130 Bomben. 51 Tote und Verletzte... Strecken Soest, Unna, Dortmund und Pelkum bis 2.6. gesperrt.“
Es sollte Jahre dauern, bis alle betrieblichen Hindernisse aus dem Weg geräumt waren.
Elektrifizierung und Einstellung des Personenverkehrs
Zum Ende der 1950er-Jahre taucht die Baureihe 44 im Güterverkehr auf der Hamm-Osterfelder Bahn auf. Die schweren Dreizylinder-Lokomotiven waren für die Beförderung der schweren Kohlenzüge bestens geeignet. Eine der herausragenden Leistungen war der so genannte „Franzose“, ein 1300 Tonnen schwerer, alle zwei Tage verkehrender Kokszug, der von der De-Wendel-Zeche Heinrich Robert in Pelkum zu den Hüttenwerken des gleichen Konzerns in Lothringen von Hammer 44ern bis nach Osterfeld-Süd befördert wurde.
Zum Sommerfahrplan 1961 hielten neue Akkumulator-Triebwagen Einzug auf dem Ostabschnitt der Hamm – Osterfelder Bahn. Trotz der modernen „Steckdosen-Intercitys“ ging der Personenverkehr in den 1960er-Jahren auf dem Abschnitt Recklinghausen - Hamm allerdings kontinuierlich zurück; in den Kursbüchern tauchte immer mehr das Bahnbussymbol auf. Auf einigen Bahnhöfen wurde der Verkehrsdienst in den Empfangsgebäuden eingestellt. Auf dem Bahnhof Pelkum, der 1960 noch über 30 Beschäftigte verfügte, war dies zum 31. Mai 1966 der Fall. Im Winterfahrplan 1966/67 verkehrten an jedem Werkstag noch sechs Züge auf dem Ostteil der Hamm – Osterfelder Bahn. 1967 wurde die Strecke elektrifiziert.
Am 29. Mai 1983 wurde schließlich der Reiseverkehr zwischen Hamm und Recklinghausen Hbf. eingestellt. Zum Schluß verkehrten nur noch zwei Zugpaare in Tagesrandlage täglich auf der Strecke. Das Empfangsgebäude des Bahnhofs Pelkum wurde nach einigen Jahren Leerstand von der Deutschen Bundesbahn Verkauft und danach u.a. als Gaststätte genutzt.